Die wohnungs- und genossenschaftspolitischen Inhalte des Mitte April veröffentlichten Koalitionsvertrages der voraussichtlichen neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD ergeben aus Sicht des wohnbund ein zwiespältiges Bild. Ein grundsätzliches Umdenken in Richtung einer am Gemeinwohl orientierten Boden- und Wohnungspolitik wie wir es vor der Bundestagswahl in einem gemeinsamen Positionspapier u.a. mit dem Netzwerk Immovielien und dem Forum Gemeinschaftliches Wohnen gefordert haben, bleibt aus.
Und zumindest aus Mieter:innen-Sicht kann deutliche Kritik an der weiterhin nicht ausreichenden Regulierung der Wohnkosten insbesondere in Ballungsgebieten formuliert werden (worauf etwa der Deutsche Mieterbund und der Berliner Mieterverein hingewiesen haben).
Immerhin wird die Einsetzung einer Expertengruppe in Aussicht gestellt, in der „Mieter- und Vermieterorganisationen die Harmonisierung von mietrechtlichen Vorschriften“ vorbereiten sollen. Als Verbund von Expert:innen und Praktiker:innen aus genossenschaftlichen Wohnprojekten, in denen die Überwindung des Mieter-Vermieter-Gegensatzes erfolgreich praktiziert wird, steht der wohnbund zur Mitwirkung in einem solchen Gremium bereit.
Erfreulich ist – wie der Zentralverband der deutschen Konsumgenossenschaften bereits analysiert hat –, dass die in der letzten Legislatur bis zu einem Gesetzesentwurf entwickelte, jedoch noch nicht verabschiedete Modernisierung des Genossenschaftsrechts fortgeführt werden soll. Dazu gehören insbesondere entscheidende Schritte für die Digitalisierung des genossenschaftlichen Alltags (Zulässigkeit von Textform neben Schriftform bei zahlreichen Abläufen etc.).
Der Vorschlag zur Einführung einer neuen Rechtsform „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ mit einerseits unabänderlicher Vermögensbindung und andererseits „Teilhabe nach mitgliedschaftlicher Logik“ ist zu begrüßen. Diese Kombination entspricht grundsätzlich exakt der Bedürfnislage vieler gemeinwohlorientierter Wohnprojekte. Ob die neue Rechtsform eine praktikable Alternative zur eingetragenen Genossenschaft und weiteren Formen werden kann, wird von den konkreten Regelungen abhängen.
Eine begrüßenswerte Festlegung in wohnungspolitischer Hinsicht ist, dass das von der letzten Bundesregierung (wieder) eingerichtete Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) als eigenständiges Ressort erhalten bleibt.
Auch die erklärte Absicht, den Wohnungsbau aus den EU-Beihilfevorschriften auszunehmen, das genossenschaftliche Wohnen „weiter“ zu fördern und die in der letzten Legislatur eingeführte „Wohngemeinnützigkeit“ gemäß Abgabenordnung mit Investitionszuschüssen ergänzen, sind grundsätzlich erfreulich. Letzteres entspricht einer vom wohnbund und seinen Partnerorganisationen im Hinblick auf die Gemeinnützigkeitsregelung wiederholt erhobenen Forderung (vgl. unsere Stellungnahmen vom Juni 2023 und Oktober 2024).
Allerdings ist mit Blick auf den generellen Finanzierungsvorbehalt, dem der gesamte Koalitionsvertrag unterliegt, Skepsis hinsichtlich der Umsetzung dieser Maßnahmen angebracht.
Die Herausforderungen der Klimakrise für den Gebäudesektor werden im Koalitionsvertrag nicht mit der angemessenen Dringlichkeit benannt; leider finden sich hier undifferenzierte Schlagworte aus dem Wahlkampf wieder. Andere Formulierungen – und der Kontext des Infrastruktur-Sondervermögens – lassen jedoch hoffen, dass mit auskömmlicher Förderung für klimafreundliche Sanierungen und Neubauten gerechnet werden kann.
Die Ankündigungen zur Stärkung des kommunalen Vorkaufsrechts lesen sich auf den ersten Blick sehr positiv; allerdings lässt der Verweis auf „Ausstrahlungswirkung“ und „Schrottimmobilien“ befürchten, dass die seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten von 2021 de facto geltende Beschränkung der Vorkaufsrechtsgründe auf bauliche Aspekte womöglich nicht behoben werden soll. Dies wäre mit minimalen Formulierungsänderungen im Baugesetzbuch möglich, für die verschiedene Landesregierungen auch schon mehrfach Anträge in den Bundesrat eingebracht haben.
Der Vorschlag „selbstnutzende Eigentümer […] von den Regelungen des Milieuschutzes“ auszunehmen, muss als rechtssystematisch und städtebaulich unsinnig bezeichnet werden. Da jede selbstgenutzte Wohnung durch den schlichten Akt der Vermietung seitens Eigentümer:in jederzeit wieder zu einer Mietwohnung werden kann, ist kaum vorstellbar, wie eine solche Bestimmung verfassungskonform und rechtssicher umgesetzt werden soll. Sie würde absurderweise dazu führen, dass konkrete bauliche Vorgaben des Milieuschutzes innerhalb eines Satzungsgebietes – und sogar innerhalb eines Gebäudes! – fallweise zur Anwendung kämen und fallweise nicht. Außerdem würde es eine gravierende Ungleichbehandlung der genossenschaftlichen Eigentumsform darstellen, wenn eine solche Begünstigung für „selbstnutzende Eigentümer“ nur von Individualeigentümer:innen in Anspruch genommen werden könnte.
Der wohnbund wird die Wohnungs- und Genossenschaftspolitik auf Bundesebene während der kommenden Jahre weiterhin kritisch begleiten und seine Expertise in die entsprechenden Debatten einbringen.